Da gerade die dritte IPv6-Konferenz in Potsdam zu Ende ging, habe ich mir a) das Video-Grußwort der EU-Kommissarin Neelie Kroes angeschaut und b) endlich Zeit gefunden, den Nationalen Aktionsplan IPv6 der Bundesregierung zu studieren. In der 2009 verfassten Version heißt es so schön:
“[..] sollte sich Deutschland das Ziel setzen, IPv6 bis 2010 auf breiter Basis einzusetzen. Konkret sollten bis dahin mindestens 25 Prozent der deutschen Internetanwender in der Lage sein, sich mit dem IPv6-Internet zu verbinden.”
Welcher Projektplaner hat das bitte verbrochen? Wer kommt auf die irrwitzige Idee, das über 30 Jahre gewachsene IPv4-Protokoll innerhalb eines einzigen Jahres durch einen seit 12 Jahren bekannten Nachfolger bei 25% der Nutzer zu ersetzen? Hat da jemand den Taschenrechner verlegt?
Sicherlich ist der Wechsel dringenst nötig, doch etwas Realismus täte in der Sache ganz gut. Die Politik sollte meiner Meinung darüber nachdenken, diesen Wechsel – wenn er denn ernsthaft gewollt ist – durch gezielte Maßnahmen zu forcieren. Hier sehe ich folgende Bereiche:
- finanzielle Förderung von IPv6-Routing in Rechenzentren
- frühzeitige Verteilung von IPv6-Blöcken an öffentliche Netzbetreiber
- Umstellung von Universitäts- und Forschungsnetzen auf IPv6
- Förderung von IPv6-Weiterbildungen für Firmen-Admins
- Aufnahme von IPv6 in IT-Kurse an Unis, Hochschulen
- Gesetzliche Regelung der IPv6-Einführung bei ISPs
Gerade im letzten Punkt gibt es zwar im Aktionsplan eine kleine Textpassage, dass 2010 alle ISP’s auch IPv6-Verbindungen für Endkunden anbieten sollten, aber die Realität sieht hier besonders altbacken aus. Durch den Kauf von Strato hat sich zwar die Telekom auf dem Papier ein “IPv6-Angebot” ins Haus geholt, dennoch hat keiner meiner Bekannten mit Magenta-Anschluss bisher etwas von IPv6 gehört. Ganz zu schweigen von Kabel Deutschland oder Arcor. Dort passiert einfach gar nix. Ein bisschen erinnert das Gehabe an die Einführung des 3-Liter- oder gar Elektro-Autos… 🙁
Ich bin gespannt, wann sich die ersten PR-ler wieder auf die Schultern klopfen und die erfolgreiche Einführung feiern – Plan-Übererfüllung sei Dank! 🙂